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Unzureichende Maßnahmen zur Vermeidung des Verbots der Zerstörung von Lebensstätten am Beispiel von Fledermausbaumquartieren
Laura Sophia Apel (M. Sc.)
§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbietet es, die Lebensstätte einer Fledermaus zu beschädigen oder zu zerstören. Darunter fallen nach dem Leitfaden der EU-Kommission alle Quartiere, die als Wochenstuben- und Paarungsquartiere (Fortpflanzungsstätten) sowie zur Tagesruhe (Ruhestätte) und für die Überwinterung (Ruhestätte) dienen (EU-Kommission 2021, S. 41 dort beispielhaft für den Kleinen Abendsegler). Solche Stätten finden sich u.a. in geeigneten Baumhöhlen. Sie werden oftmals wiederkehrend genutzt und sind auch in Zeiten der Nutzungsunterbrechung gesetzlich geschützt (siehe hierzu auch EuGH Urteil C-477/19 vom 02.07.2020; EU-Kommission 2021, S. 39). Folglich hätte man es bei Eingriffen, die mit der Zerstörung von geeigneten Höhlenbäumen einhergehen, regelmäßig mit einer Lebensstättenzerstörung zu tun, unabhängig davon, ob die Stätte zum Eingriffszeitpunkt besetzt ist oder nicht. Um die Rechtsfolgen des Verbotstatbestandes zu umgehen, liegt der Verbotstatbestand nach Anwendung des § 44 Abs. 5 BNatSchG bei zulässigen Eingriffen und Vorhaben nicht vor, wenn die ökologische Funktion der betroffenen Lebensstätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin gewahrt werden kann. Dafür können auch Maßnahmen (sog. vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, CEF-Maßnahmen: Continued Ecological Functionality) ergriffen werden, wenn diese sicher gewährleisten können, dass die ökologische Funktion der betroffenen Stätte dauerhaft intakt bleibt. Anders als bei Maßnahmen der Eingriffsregelung (Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen) geht es bei solchen CEF-Maßnahmen um einen vorbeugenden Ansatz, bei dem es zu keinem Zeitpunkt zu einer Verschlechterung der Funktionalität der Lebensstätte kommen darf (siehe auch EU-Kommission 2021, S. 47).
Strikte Anforderungen an CEF-Maßnahmen
Um diesen vorbeugenden Ansatz gewährleisten zu können, ergeben sich strikte Anforderungen an die Planung und Umsetzung von CEF-Maßnahmen. Folgt man dem aktuellen Leitfaden der EU-Kommission sowie Ausführungen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) (Urteil vom 18.03.2009, Az. 9 A 39.07, Rn. 67) lassen sich folgende Bedingungen ableiten:
Zeitliche Komponente: Die Funktionalität muss „ohne zeitlichen Bruch“ (BVerwG, Urteil vom 18.03.2009, Az. 9 A 39.07, Rn. 67) gewährleistet werden. Daher haben solche Maßnahmen nicht nur vor dem Eingriff stattzufinden, sondern müssen auch vorher wirksam sein, damit die „ökologische Funktionalität zu keinem Zeitpunkt geringer wird oder verloren geht“ (EU-Kommission 2021, S. 46).
Räumlicher Zusammenhang: Das BVerwG (Urteil vom 18.03.2009, Az. 9 A 39.07, Rn. 67) hat die räumlichen Grenzen solcher Maßnahmen am Beispiel von Brutvögeln wie folgt eingegrenzt: „…dem in einem Brutrevier ansässigen Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze in seinem Revier zur Verfügung stehen oder durch Ausgleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt werden.“ Demnach geht es nicht nur darum, dass die Maßnahme für die betroffenen Bewohner erreichbar (Aktionsradius) ist oder irgendwo im Bereich der (lokalen) Population wirksam wird, sondern innerhalb oder direkt angrenzend an eine Funktionseinheit (z.B. bei Brutvögeln das Revier) anknüpft. Bei Fledermäusen unterscheidet sich diese Funktionseinheit je nach Art und Jahreszeit (z.B. im Sommer der Quartierverbund). Irgendwo anders umgesetzte Maßnahmen, mögen zwar evtl. die Lebensraumqualitäten anderer Reviere verbessern, werden damit aber nur auf Populationsebene wirksam. Der populationsbezogene Ausgleich ist allein der artenschutzrechtlichen Ausnahme vorbehalten (siehe hierzu auch EuGH-Urteil vom 04. März 2021, Az. C-473/19).
Dimensionierung: Die Funktion jeder betroffenen Stätte muss quantitativ mindestens 1:1 gewährleistet werden, wie es dem Leitfaden der EU-Kommission auf S. 46 zu entnehmen ist: „Behält die Fortpflanzungs- oder Ruhestätte dank funktionserhaltender Maßnahmen mindestens ihre vorherige Größe (oder wird sie größer) […]“. Mitunter kann ein Überangebot aus planerischer Sicht erforderlich werden, um Defizite aufgrund einer unvermeidlichen Entwicklungsphase auszugleichen.
Qualität: Ebenso muss die betroffene Stätte in qualitativer Hinsicht vollständig intakt bleiben. Sie muss nach dem Leitfaden der EU-Kommission „für die fragliche Art dieselbe (oder eine bessere) Qualität“ aufweisen.
Um dieselbe Quantität und dieselbe Qualität zu wahren, kommt es vor allem auf eine genaue Ermittlung und Abgrenzung der betroffenen Lebensstätte an.
Wirksamkeit (Prognosesicherheit, Nachweis, Überwachung): Schlussendlich hat die EU-Kommission (2021) in ihrem aktuellen Leitfaden auf S.46/47 nochmals unmissverständlich dargelegt, dass CEF-Maßnahmen tatsächlich und dauerhaft wirken müssen. Die Prognose der Erfolgsaussichten „muss auf der Grundlage objektiver Informationen und unter Berücksichtigung der Merkmale und spezifischen Umweltbedingungen der betreffenden Stätte vorgenommen werden.“ Es müsse „ein hohes Maß an Sicherheit bestehen, dass die Maßnahmen ausreichen, um jede Beschädigung oder Vernichtung zu vermeiden“. Maßnahmen, welche eine kontinuierliche Funktionalität nicht garantieren können, sollen bereits nach dem Vorsorgeprinzip als nicht vereinbar angesehen werden. Außerdem müsse die Wirksamkeit „natürlich eindeutig nachgewiesen“ und kontinuierliche ökologische Funktionalität der Stätte überwacht werden, um einen dauerhaften Funktionserhalt zu gewährleisten.
Individuenbezug: Folgt man den Ausführungen des BVerwG in seinem Urteil vom 18.03.2009 (Az. 9 A 39.07, Rn. 67), wo es heißt: "Hingegen trifft es jedenfalls für die Eingrenzung des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots nicht zu, dass sie den Individuenbezug des Verbotstatbestandes durch einen bloßen Populationsbezug ersetzt (in diesem Sinne aber Gellermann, NuR 2009, 85 <89>). Der in Abs. 5 Satz 2 vorausgesetzte volle Funktionserhalt ist nämlich nicht schon dann gegeben, wenn der Eingriff keine messbaren Auswirkungen auf die Reproduktionsbedingungen bzw. Rückzugsmöglichkeiten der lokalen Population als ganzer hat, sondern erst dann, wenn für die mit ihren konkreten Lebensstätten betroffenen Exemplare einer Art die von der Lebensstätte wahrgenommene Funktion vollständig erhalten bleibt […]“, haben CEF-Maßnahmen für das betroffene Individuum zu wirken. Dementsprechend hat auch der geforderte Wirksamkeitsnachweis (s.o.) individuenbezogen zu erfolgen.
Fledermauskästen als CEF-Maßnahmen für vorhabensbedingt zerstörte Fledermausbaumquartiere
In der Planungs- und Genehmigungspraxis ist das Aufhängen von Fledermauskästen als CEF-Maßnahme für den Verlust von Fledermausbaumquartieren gängiger Standard. Sie stellen eine der häufigsten CEF-Maßnahmen dar.
Bereits im Jahr 2017 veröffentlichten die Autoren Zahn & Hammer zur Wirksamkeit solcher Fledermauskästen als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) einen Beitrag in „ANLiegen Natur“. Ergebnis ist es, dass die Wirksamkeit solcher Kästen situations- und artspezifisch sehr unterschiedlich ist und sich die Erfolgsaussichten in den meisten Fällen daher nicht sicher prognostizieren lassen. Manche Arten nehmen Fledermauskästen in bestimmten Lebenssituationen nicht oder gar nicht an, andere erst nach mehreren Jahren oder wenn sie in einer größeren Anzahl aufgehängt werden. Die Erfolgsaussichten hängen von vielen Faktoren ab und sind ohne umfangreiche Bestandserfassungen und Einzelfallbetrachtungen ohnehin nicht prognostizierbar. Zu einer ähnlichen Erkenntnis war bereits 2011 die Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr (BMVBS 2011, S. 74) gekommen, wo es heißt: "Die verschiedenen Fledermausarten haben unterschiedliche Anforderungen an die Quartierbeschaffenheit (unterschiedliche Hangplatzanforderungen, unterschiedliche Temperaturpräferenz). Einige Arten sind bisher gar nicht als Nutzer von Kunsthöhlen nachgewiesen. Nur wenige Arten besiedeln Kunsthöhlen innerhalb kurzer Zeit (d.h. innerhalb der ersten 6 - 18 Monate)." Und auch das BVerwG hat bereits 2012 folgendes festgestellt: "Durch das Herausnehmen von geeigneten Baumhölzern aus der forstlichen Nutzung wird ein Aufwertungsprozess des Waldgebiets eingeleitet; zudem werden im Einzelfall vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen - das Aufhängen von Fledermauskästen - angeordnet, die allerdings nur ergänzende Funktion haben können, da ihre Wirksamkeit nicht für alle Fledermausarten nachgewiesen ist.“ (Urteil 9 A 17.11 vom 6. November 2012, Rn. 108). Die größten Unsicherheiten ergeben sich wohl, wenn Wochenstubenquartiere betroffen sind. Die Annahme des Kastens als Wochenstubenquartier kann hier über 10 Jahre dauern (siehe Zahn & Hammer 2017, S. 32). Deshalb fassen Zahn & Hammer (2017) folgendes zusammen: „Somit lässt sich bei einem Baumhöhlenverlust in Reproduktionsgebieten von Waldfledermausarten der Eintritt eines Verbotstatbestands nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, da die Kästen vielerorts nicht angenommen werden und da praktisch nicht geklärt werden kann, ob es im Aktionsradius der betroffenen Kolonien geeignete und nicht durch andere Tierarten besetzte Baumquartiere gibt. Dementsprechend muss mit einer sogenannten „worst case-Annahme“ gearbeitet und davon ausgegangen werden, dass eben nicht ausreichend natürliche Quartiere vorhanden sind.“
Die Voraussetzungen, die CEF-Maßnahmen erfüllen müssen (s.o.), lassen sich vor diesem Hintergrund durch das Anbringen von Fledermauskästen keinesfalls erfüllen. Ihnen fehlt für eine Reihe von Konstellationen das erforderliche hohe Maß an Sicherheit, um eine kontinuierliche Funktionalität der beeinträchtigten Stätte ohne zeitlichen Bruch garantieren zu können, sodass solche Maßnahmen nach dem Vorsorgegrundsatz als nicht vereinbar angesehen werden müssen. Grundsätzlich unzulässig sind solche Maßnahmen daher, wenn nicht einmal die Nutzer der betroffenen Baumquartiere ermittelt wurden, wie es häufig in der Praxis der Fall ist (s.u.). Genauso wenig können solche Informationen erst im Rahmen der Bauausführung geklärt werden, wie es ebenfalls häufig in Genehmigungen zu lesen ist. Werden dann nämlich Arten festgestellt, die Kästen nur verzögert oder selten annehmen, kann die geforderte kontinuierliche Funktion der vom Vorhaben betroffenen Lebensstätten nicht mehr gewährleistet werden. Schlimmstenfalls bleibt die ökologische Funktionalität dauerhaft unerfüllt, weil manche Arten Fledermauskästen für bestimmte Funktionen nicht oder nur selten nutzen. Ohne eine gründliche Vorklärung des Artenspektrums und des Status der ermittelten Arten sind CEF-Maßnahmen daher nicht einsetzbar. Und selbst dann, wenn die betroffene Fledermausart Kästen grundsätzlich annimmt, kommt es von Fall zu Fall zusätzlich darauf an, ob die betroffene Fledermaus in ihrem Revier bereits Kästen als Quartier nutzt und kennt.
Um die räumliche Anforderung erfüllen zu können, kommt es zusätzlich auf die Abgrenzung der Funktionseinheit an. Geht es also um die Ersetzbarkeit von Quartieren eines Wochenstubenverbunds, müsste dieser zunächst einmal abgegrenzt werden. Häufig ist die Abgrenzung nur über Telemetrie möglich. Alles in allem lässt sich die Wirksamkeit daher nur im konkreten Einzelfall prognostizieren. Als allgemeingültige artübergreifenden CEF-Maßnahme sind Fledermauskästen gänzlich ungeeignet.
Daher kommen auch die Autoren Zahn et al. in ihren Beitrag von 2017 und erneut in einem aktuellen Beitrag „Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Vermeidungs-, CEF- und FCS-Maßnahmen für vorhabensbedingt zerstörte Fledermausbaumquartiere“ von 2021 zu dem Ergebnis, dass Fledermauskästen als einzelne CEF-Maßnahme nicht geeignet sind. Fledermauskästen sind daher als CEF-Maßnahmen unzulässig (siehe auch Philipp-Gerlach 2017).
Die Praxis
Trotz dieser fachlichen Erkenntnisse und rechtlichen Auseinandersetzungen stellen Fledermauskästen in der Planungs- und Genehmigungspraxis weiterhin eine der häufigsten CEF-Maßnahmen dar und werden großzügig angewandt. Dabei wird in den seltensten Fällen ermittelt, welche Art in welchem Umfang und in welcher Lebenssituation von dem Verlust des Baumquartiers betroffen ist. Häufig wird ein artübergreifender Ansatz gewählt.
So wurden beispielweise in einem Windpark in Baden-Württemberg für den Bau von elf Windenergieanlagen (WEA) ca. 13 ha Wald gerodet, in dem insgesamt 14 Fledermausarten akustisch nachgewiesen werden konnten. Es wurde weder ermittelt, in welcher Funktion die Arten den Wald nutzen. Noch wurde auf der Eingriffsfläche nach Spalten und Höhlen (potenzielle Quartiere) in Bäumen gesucht. Die Planer und die Genehmigungsbehörde waren sich dennoch einig, dass die ökologische Funktion der betroffenen Lebensstätten (ohne diese überhaupt zu quantifizieren) durch das Anbringen von insgesamt 110 Fledermauskästen dauerhaft erhalten bleibt.
Ähnlich wurde bei einem Abschnitt der Bundesautobahn (BAB) 14 verfahren, wobei dort lediglich 30 Kästen für eine nicht quantifizierte Anzahl an Lebensstättenverlusten den Funktionserhalt garantieren sollten, obwohl weder Baumhöhlen erfasst noch die Bewohner und die Funktion der Baumhöhle für diese Bewohner geklärt wurde.
Bei Windpark- und Autobahnvorhaben kommt dann noch regelmäßig hinzu, dass die Fledermauskästen meistens außerhalb des kollisionsgefährdeten Bereichs angebracht werden sollen, um Tötungsrisiken zu vermeiden. Damit können aber die engen räumlichen Anforderungen, die CEF-Maßnahmen erfüllen müssen (s.o.), schon grundsätzlich überhaupt nicht erfüllt werden. Dies gilt beispielsweise für eine solche Auflage in der Genehmigung eines Windparks, wo es heißt: „Die CEF-Maßnahme „Schaffung von 1 Fledermauskastenrevier (bestehend aus 10 Fledermauskästen im Verbund) im räumlichen Zusammenhang, jedoch im Abstand von mindestens 1.000 m zu geplanten und bestehenden WKA […] ist umzusetzen“. Von einem räumlichen Bezug zur betroffenen Lebensstätte kann hier keine Rede mehr sein, wenn die vorgesehene Kastengruppe mindestens 1.000 m von den Anlagen aufgehängt werden soll. Umso befremdlicher wirkt damit auch die Neueinführung des § 45 b Abs. 7 BNatSchG, wo es nun heißt: „Nisthilfen für kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausarten dürfen in einem Umkreis von 1500 Metern um errichtete Windenergieanlagen sowie innerhalb von Gebieten, die in einem Raumordnungsplan oder in einem Flächennutzungsplan für die Windenergienutzung ausgewiesen sind, nicht angebracht werden.“ Besteht die Gefahr, dass Fledermauskästen als CEF-Maßnahmen von kollisionsgefährdeten Arten besetzt werden, dürfen sie im Umkreis von 1.500 m nicht mehr eingesetzt werden. Werden sie aber außerhalb dieses Radius eingesetzt, erfüllen sie die Voraussetzungen für CEF-Maßnahmen nicht mehr. In der Folge sind mehr artenschutzrechtliche Ausnahmen wegen der Zerstörung und Beschädigung von Fledermaus-Lebensstätten erforderlich. Für andere Vorhaben, bei denen es zum Einsatz von Fledermauskästen als CEF-Maßnahmen kommen soll, wird zusätzlich die Prüfung erforderlich, ob im Umfeld von 1.500 m WKA errichtet werden oder derartiges geplant ist.
Und ob solche Maßnahmen, wie von der EU-Kommission gefordert, von den zuständigen Behörden dauerhaft kontrolliert und überwacht werden, mag bezweifelt werden, zumal diese Pflicht in der Praxis oftmals bestritten wird. Erfahrungsgemäß wird die Wirksamkeit dem Zufall überlassen.
„Ausweichen“ ins Umfeld
Ebenso häufig wie Fledermauskästen als CEF-Maßnahme findet sich in der Planungs- und Genehmigungspraxis die pauschalierte Annahme, dass betroffene Tiere in die Nachbarschaft ausweichen können, wenn weitere Bäume mit Hohlräumen im Umfeld festgestellt (bzw. vermutet) werden. Aber auch hierfür gilt, dass die ökologische Funktionalität der beschädigten oder zerstörten Stätte ohne zeitliche Lücken in ihrem engen räumlichen Grenzen dauerhaft intakt bleiben muss. Um eine solche Annahme des „Ausweichens ins Umfeld“ bejahen zu können, wäre es erforderlich, nicht nur den genauen Bestand der betroffenen Fledermäuse in der vom Eingriff betroffenen Fläche zu kennen, sondern ganz konkret zu erfassen, ob in der abgegrenzten Funktionseinheit oder daran direkt angrenzend weitere Höhlenbäume mit derselben Quartierqualität vorhanden sind, die nicht bereits durch die vom Eingriff betroffenen Arten oder um diese Ressource „Baumhöhle“ konkurrierende Arten (z.B. andere Fledermausarten, höhlenbrütende Vogelarten oder Insekten) besetzt sind. Denn nur dann, wenn eine geeignete und unbesetzte Baumhöhle nachgewiesen werden kann, ist die Möglichkeit einer Verlagerung wenigstens theoretisch denkbar, wie das BVerwG in einem Hinweisbeschluss vom 06. März 2014 (Az. 9 C 6.12, Rn. 61) zur Feldlerche deutlich gemacht hat. Dieser Nachweis ist in fachlicher Hinsicht sehr anspruchsvoll und allerhöchstens nach sehr umfangreichen, in den Bereich der Grundlagenforschung übergehenden Untersuchungen leistbar. Schließlich müsste in diesem Zusammenhang nämlich auch beantwortet werden, ob einem positiven Nachweis über die Verfügbarkeit ungenutzter und geeigneter Hohlräume eigentlich irgendeine Bedeutung zukommt und ob mit dem Verlust der Höhle nicht auch die dazugehörige Fledermaus verschwinden wird, weil ihr das Umfeld nun einfach nicht mehr den ausreichenden Raum bietet. Dann mag zwar eine Lebensstätte im engeren Sinne vorhanden sein, allerdings vermag sie die ökologische Funktion im räumlichen Zusammenhang nicht mehr erfüllen, weil die sonstigen Habitatkapazitäten erschöpft sind. In der Praxis mangelt es allerdings oftmals schon an einer geeigneten Bestandserfassung auf der Eingriffsfläche, die Aufschluss darüber gibt, welche Funktion die vom Eingriff betroffene Baumhöhle für welche Fledermausart hat. Die Defizite reichen sogar so weit, dass Baumhöhlen bei hektargroßen Rodungen (z.B. Autobahnbau) nicht einmal kartiert werden.
Vor diesem Hintergrund merken auch Zahn et al. (2021, S. 6) in ihrem Beitrag an, dass ein „Ausweichen“ ins Umfeld nur durch sehr umfangreiche Untersuchungen überhaupt prognostizierbar ist und es daher ratsam wäre „eine Nutzung aller zur Verfügung stehenden Habitate anzunehmen“, weshalb bei einer Zerstörung von Baumquartieren „der durchgehende Erhalt der ökologischen Funktion in der Regel nur durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) sichergestellt und dadurch ein Verbotstatbestand vermieden werden“ kann (dazu siehe aber oben).
Fazit
Schlussendlich bleibt festzustellen, dass die bisher gängige Planungs- und Genehmigungspraxis, bei der häufig angenommen wird, dass Fledermäuse bei der Rodung von Fledermausbaumquartieren ins Umfeld „ausweichen“ können oder sich die ökologische Funktion im räumlichen Zusammenhang durch das Anbringen von Fledermauskästen gewährleisten lässt, kein „hohes Maß an Sicherheit“ bietet. Meistens mangelt es bereits an den erforderlichen Bestandserfassungen und einer detaillierten Darstellung der betroffenen Fledermausarten und Lebensstätten. Wenn aber die Wirksamkeit nicht eindeutig nachgewiesen ist, sind die Voraussetzungen der Freistellungsklausel des § 44 Abs. 5 BNatSchG weder in fachlicher noch in rechtlicher Hinsicht erfüllt. Ein konsequenter Artenschutz sieht jedenfalls anders aus! Dass solche Maßnahmen vor Gericht trotzdem vielfach unbeanstandet bleiben, macht die Angelegenheit nicht besser.
Literatur
BMVBS (2011; Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung): Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens FE 02.256/2004/LR „Quantifizierung und Bewältigung verkehrsbedingter Trennwirkungen auf Arten des Anhangs der FFH-Richtlinie, hier Fledermauspopulationen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Gutachten 2011: 1 – 101
EU-Kommission (2021): Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie. Fassung, 12.10.2021.
Philipp-Gerlach U (2017): Fledermauskästen und Nutzungsverzicht in Wäldern erfüllen die Anforderungen an vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) nicht. Recht der Natur. Schnellbrief Nr. 205. November/Dezember 2017. Informationsdienst Umweltrecht. S. 68/69.
Zahn A, Hammer M (2017): Zur Wirksamkeit von Fledermauskästen als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme – ANLiegen Natur 39(1): online preview, 9 p., Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen.
Zahn A, Hammer M, Pfeiffer B (2021): Vermeidungs-, CEF- und FCS-Maßnahmen für vorhabenbedingt zerstörte Fledermausbaumquartiere. Hinweisblatt der Koordinationsstellen für Fledermausschutz in Bayern, 23 S.