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Artenschutz contra Windkraft? Ein Streit ohne Maß und Mitte!

Verfolgt man die öffentliche Diskussion der vergangenen Monate, so scheint die Rettung des Klimas davon abzuhängen, dass der gesetzliche Artenschutz als Genehmigungshindernis aus dem Weg geräumt wird. Hört man auf manche Klimaschützer und Befürworter der Windkraft, so ist die Errichtung neuer Windenergieanlagen (WEA) in Deutschland 2019 vor allem wegen völlig überzogener gesetzlicher Regelungen zum Schutz kollisionsgefährdeter Vogelarten zum Stillstand gekommen. Folgt man der anderen Seite, so müsste jeder Vorbeiflug eines Rotmilans zum Verzicht auf einen Anlagenstandort führen.

Die Pole lassen Maß und Mitte vermissen.

Nach einer Statistik des Bundeswirtschaftsministeriums aus 2018 deckt die Windenergie in Deutschland gerade einmal etwa 3 % des Primärenergiebedarfs. Selbst wenn man die Zahl der WEA verdoppeln würde, bliebe der Anteil der Windenergie an der Energieversorgung und vor allem der Beitrag an der Reduzierung der Treibhausgase überschaubar. Der Ausbau der Windkraft wird das Klima also nicht retten, er leistet aber einen Beitrag dazu.

Auf der anderen Seite ist es weder praktisch möglich noch rechtlich geboten, für kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausindividuen jegliches Tötungsrisiko zu vermeiden. Der gesetzliche Artenschutz ist auch kein Vehikel, um Anwohnerbelange oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes zu steuern. Der gesetzliche Artenschutz schützt höchstens Arten. Für die weiteren Belange muss man sich auf andere Regelungen stützen. Schließlich sind Kollisionen von Vögeln und Fledermäusen an WEA nicht allein verantwortlich für den Rückgang von Arten, tragen aber dazu bei.

Da sowohl der Klimawandel als auch das Artensterben für sich allein geeignet sind, um das globale Gleichgewicht aus den Angeln zu heben (siehe W. Steffen et al., Science 347, 1259855, 2015), ist ein Ausgleich zwischen den konkurrierenden Belangen unverzichtbar und nicht einfach dadurch zu lösen, dass einer von beiden aufgegeben wird.

Ein fachlich und rechtlich sauberer Weg besteht darin, das Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse durch Abschaltung der Anlagen während besonders kritischer Tages- und Jahreszeiten und Wetterbedingungen zu reduzieren und das in zumutbarer Weise nicht mehr vermeidbare Risiko ausnahmsweise zuzulassen, wenn es z.B. durch die Schaffung von optimierten Nahrungsflächen für die betroffenen Arten kompensiert wird. Berücksichtigt man dabei ALLE kollisionsgefährdeten Arten (also auch die vielfach ausgeblendeten wie z.B. Feld- und Heidelerche, Mäusebussard oder Turmfalke) und werden die artbezogenen Kompensationen so gestaltet, dass sie den Bruterfolg der betroffenen Arten steigern, ist der Konflikt bewältigt. Artenschutz bildet dann kein Genehmigungshindernis mehr, wie die mittlerweile mehrjährige Praxis insbesondere im Landkreis Osnabrück zeigt (siehe hierzu Schreiber 2017: Abschaltzeiten für Windkraftanlagen zur Reduzierung von Vogelkollisionen, Nat.schutz Landsch.plan. 49: 101-109).

Genehmigungen neuer Windkraftanlagen oder das Repowering alter Anlagen müssen also nicht am Artenschutz scheitern oder sich auch nur verzögern. Es wäre daher zu wünschen, dass die hierbei gemachten Erfahrungen Eingang in die Neufassung des Niedersächsischen Leitfadens zur Berücksichtigung des Artenschutzes bei der Windkraftplanung finden. Wohin die Reise aber führen wird, ist derzeit unklar: Die beiden Gesprächsrunden dazu im Niedersächsischen Umweltministerium im Herbst letzten Jahres haben keine Richtung erkennen lassen. Deutlich wurde lediglich, dass die Vertreter der Windenergieverbände auf eine maximale Lockerung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen und eine weitgehende Einschränkung des zu berücksichtigenden Artenspektrums gedrängt haben. Zu hoffen bleibt, dass der – auch für den Artenschutz zuständige – Minister Olaf Lies in diesem Konflikt nicht den Hardlinern folgt, sondern aktiv den skizzierten Weg des Ausgleichs im Leitfaden festschreibt. Alles andere würde keine Entschärfung der gesellschaftlichen Diskussion bringen. Stattdessen würden unweigerlich neue Runden vor Gericht eingeläutet.

Vor allem würde ein „Abräumen“ des Artenschutzes an der Stagnation des Windkraftausbaus nichts ändern: Es fehlen nämlich schlicht die ausgewiesenen Standorte, und in manchen Regionen sind mittlerweile die Grenzen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit für weitere WEA erreicht oder sogar überschritten.

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